In der heutigen Zeit sind wir gefordert, immerzu verfügbar zu sein.
Sind wir das nicht, werden uns die besten Angebote weggeschnappt oder
die Breaking News ohne unser Zutun verbreitet. Und zu allem und jedem
Vorkommnis haben wir eine Meinung, die wir gerne als unsere „eigene“
ausgeben, wir teilen ein in gut oder schlecht beziehungsweise in grüne
Häkchen oder rote Kreuzchen. Mit letzterem können wir im Netz in
Sekundenschnelle Unpassendes wegklicken. Und was mit dem roten Kreuzchen
einmal weggeklickt wurde, bleibt in der Regel auch weg - obwohl es
vielleicht auf den zweiten Blick ein rotes Herz oder zumindest ein
„Like“ gegeben hätte. Aber wenn kümmert das schon, wenn noch hundert
weitere Optionen warten. Die Möglichkeiten sind heute immens, der Druck
auch, wollen wir doch nichts auslassen und das Leben möglichst auskosten
- bevor es zu spät ist, wir zu alt sind oder es ein anderer schon vor
uns getan hat.
Unsere Gesellschaft verlangt nach Schönheit,
Leistungsfähigkeit und Erfolg. Da haben es Themen wie Tod und Verlust
schwer. Das eigentliche Tabu ist auch nicht der Tod, sondern die Trauer.
Wir wissen oft nicht (mehr), wie wir mit trauernden Menschen umgehen
sollen, denn unsere antrainierten Alltagslösungen funktionieren bei
ihnen kaum, unsere Ratschläge verhallen im Nirgendwo. In ihrem Schmerz
erinnern uns trauernde Menschen daran, dass das Leben letztlich doch
nicht kontrollierbar ist und dass uns Tod und Verlust jederzeit selber
treffen könnten. Und diese Vorstellung jagt Angst ein und wir tun, was
wir immer tun mit unpassenden Dingen: wir klicken sie gerne mit dem
roten Kreuzchen weg.
Dabei könnten wir vieles von trauernden
Menschen lernen. Doch das bedingt, dass wir unser Ego für einmal
zurücknehmen, unsere Ratschläge für uns behalten und die Worte den
Betroffenen überlassen. Denn sie sind die wahren Experten ihrer Sache
und niemandem sonst steht eine Meinung zu ihrer ganz persönlichen
Gefühlslage zu. Wenn es uns gelingt, trotz unserer eigenen Ängste auf
das grüne Häkchen zu klicken und eine Begegnung zuzulassen, werden wir
erkennen, dass uns trauernde Menschen nicht nur mit der Endlichkeit des
Lebens konfrontieren. Sie zeigen uns vielmehr auf, dass wir alle die
einzigartige Fähigkeit in uns tragen, sich nach einer gelebten Trauer
wieder dem Leben zuwenden zu können. Und mir scheint, gerade dieses
Vertrauen ins Leben haben wir heute nötiger denn je.